Dienstag, 26. Juni 2012

Auszeit, Tag 2 (am Abend)

N'Abend ... Spät, aber nicht zu spät, ein Rückblick auf einen langen, interessanten Tag, der heute Morgen um 10.30 Uhr bei Ludwig Sebus begann. Sebus wird im Herbst 87 Jahre alt, er ist Liedermacher von Beruf - oder wie man in Köln sagt: ein Krätzchensänger. Seine Zeit waren vor allem die 70er Jahre (http://www.amazon.de/Das-Beste-Ludwig-Sebus/dp/B00410LHGQ/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1340746612&sr=8-1). Von ihm stammt der bekannte Vers "Ich möcht zo Fohs nach Kölle jonn" aus dem Lied "Heimweh nach Köln". Eines seiner bekanntesten Lieder ist zudem "Jede Stein en Kölle es e Stöck von mir". Jenes Stück spielt auf die Zeit an, über die wir uns heute unterhalten haben - die Nachkriegsjahre. Im Winter 1949 war Ludwig Sebus aus sechs Jahren Kriegsgefangenschaft in Russland nach Köln zurückgekehrt. Trotz seiner Erfolge in der Musik und auf den Bühnen der Karnevalsgesellschaften, hat Sebus ein Leben lang gearbeitet, unter anderem als Verkaufsleiter für Lanz-Landmaschinen.

Wir sprachen fast zweieinhalb Stunden darüber, wie es ist, nach Hause zu kommen, wie er die Zeit des Wiederaufbaus erlebte und wie man als junger Mann, der nicht viel auf der Tasche hatte, eine Frau fürs Leben findet. Es war ein sehr offenes, herzliches Gespräch, geprägt von vielen Fragen und Widerfragen, denn auch Ludwig Sebus war recht neugierig. Er ist sehr stolz darauf, dass seine persönlichen Erinnerungen nun Teil meines Buches werden. Und das ist ja genau, was ich möchte: Ich will nicht in einem Geschichtsbuch schmökern. Ich will persönliche Erinnerungen und Erfahrungen anhäufen. Das Buch soll sich am Ende lesen wie eine große Reportage.

Ludwig Sebus erzählte auch davon, dass 1949 die erste "Kappen-Fahrt" durch das zerstörte Köln ging, bevor dann 1950 der erste richtige Rosenmontagszug durch das immer noch zerstörte Köln zog. Eine Begebenheit, die mir auch schon der ältere Freund aus "Sasch's Bar" erzählt hatte. Sebus erzählte mir auch offen von den Folgen der Gefangenschaft, von seinem Misstrauen gegen Menschen grundsärtlich und vor der Furcht vor Menschen in Uniform. Er selbst war Funker und hinter den Linien. In der Gefangenschaft musste er in Minen schuften. Er wurde verschüttet, verlor einen halben Finger.

Wir sprachen darüber, wie wertvoll Alltag ist, über Verabredungen mit Frauen, Geschenke, den erste Kinofilm, das erste Auto, die erste eigene Wohnung ... Das erste Gehalt (damals 350 D-Mark!) und wie schön es ist, dass man sich selbst seine Kleidung aussuchen darf. Ich hätte ein Foto von ihm machen sollen!

Ich habe nun ein sehr lebhaftes Bild vor Augen und habe ob dieser Flut von Informationen beschlossen, dass mein Protagonist Konrad Weiß einen Cousin erhält, der mit ihm aufgewachsen ist und dessen Kindheit und Jugendzeit bei weitem nicht so glücklich verlaufen sollte.

Geschrieben habe ich dann auch. Das letzte Hamburg-Kapitel habe ich geschrieben, das Mittelstück der gesamten Hamburg-Szenen habe ich deutlich erweitert. Und der neue Epilog ist fertig, weil sich der alte ja in den Anfang verwandeln sollte. Doch so wie die Schreiberei heute verlaufen ist, passt das nicht mehr ...

Morgen geht es um 13 Uhr weiter. Ich telefoniere dann mit dem 72 Jahre alten Reinold Louis, einem echten Banker. Er wird mir hoffentlich erzählen, wie man damals Karriere machte, wie das mit der Schule lief in den Nachkriegstagen, wie eine Ausbildung zum Bankkaufmann aufgebaut war. Er ist ein Freund von Ludwig Sebus, ich darf auf keinen Fall die Grüße vergessen.

Zum Ende des Tages "flenst" es hier, dann falle ich müde, aber auch sehr zufrieden ins Bett. Es geht wirklich gut voran!

Liebe Grüße und gute Nacht,
Jens

PS: Und weil es mir am Herzen liegt:
http://www.ksta.de/siebengebirge/inklusion-felix-wartet-auf-neuen-begleiter,15189218,16481338.html

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