Mittwoch, 23. März 2011

Wartezimmer

(oder: Gebt mir mehr Penicillin)

Von Jens Höhner, 22. März 2011

Der eine hustet, der andere schnieft,
der eine keucht, eine Achsel mieft.
Und ein Auge einsam trieft.
Der eine röchelt, der andre niest,
ist das eklig, Herpes sprießt.

Wir warten zusammen, sind doch allein,
jeder will als Nächster rein.
Bakterien fliegen durch die Luft,
der Typ gegenüber sieht aus wie'n Schuft.

Marc-Kevin, das Höllenkind,
füttert die Fische, einer ist schon blind.
Dann kippt er das Spielzeug um,
ich träume von spritzen voll Morphium
(nicht für mich, fürs Höllen-Kind).

Die Sprechanlage quiekt,
privat-versichert siegt.
Ich bleibe sitzen
und hab' Angst vor vielen Spritzen.

Endlich kennt das Schicksal Gnade,
mein Blick ist schon völlig fade.
Ich darf rein zum Doc,
"Sie sind krank", ruft er ad-hoc.
Und das stimmt, wie schade.

(Fragt mich nicht nach Metrum, Reim oder Rhythmus!)

Freitag, 18. März 2011

Ich brauche Ballettschuhe

Von Jens Höhner

Ich brauche Ballettschuhe. Können Sie mir bitte welche schicken? Vermutlich schauen Sie gerade genauso verwirrt aus der Wäsche wie jener Kollege, dem allmorgendlich zwischen Schreibtisch und Schreibtisch seltsame Dialoge zu Ohren kommen. Merkwürdige Fragen wie „Hey, was brauchst Du?“ oder „Kannst Du mir noch etwas Marmor schicken?“ oder auch „Wenn Du gleich mal Zeit hast, erntest Du meine Möhren?“. Und wenn schließlich ein Satz fällt wie „Ich hab’ gerade einen fahren lassen“, dann muss niemand das Fenster aufreißen. Es ist nur wieder ein Güterzug mit etlichen Waren an Bord unterwegs.

Vermutlich verstehen Sie nur Bahnhof. Ist mir vor kurzem noch genauso gegangen. Aber dann habe ich mich von meiner Freundin dazu überreden lassen, eine Stadt zu bauen, Felder zu beackern, Straßen anzulegen, nette Nachbarn zu finden. „Cityville“ heißt dieses virtuelle Städtebauprojekt, das eines dieser sozialen Netzwerke im Internet anbietet. Ein Online-Spiel ist es, bei dem man zunächst Landhäuser baut, dann erste Feldfrüchte züchtet, eine Polizeistation und eine Feuerwache errichtet, schließlich Wolkenkratzer in den Himmel wachsen lässt.

Immer aber ist man auf die Hilfe anderer, der Nachbarn, angewiesen, die einem zum Beispiel per Mausklick Marmor schicken oder eben Ballettschuhe senden, wenn man das Theater eröffnen möchte. Auch helfen sie mit Goldbarren aus oder ernten ein gereiftes Feld, wenn einem selbst als Eigentümer der Stadt mal wieder die Energie ausgegangen ist. Jede Spielsession am Computer ist nämlich auf 30 Energie-Einheiten begrenzt.

Und das ist gut so. Denn sonst würde ich wohl ewig spielen, ausgerechnet. Pacman fand ich als Kind doof, einen Gameboy habe ich nie besessen und Super-Mario habe ich nur ein einziges Mal in meinem Leben über virtuelle Hügel hüpfen lassen. Lieber habe ich Fußbälle über eine grüne Wiese gekickt oder habe Verfolgsjagden mit dem Fahrrad gemeistert. Aber das war gestern. Jetzt ruft das Feld, ich muss raus. Sie wissen schon, diesmal der Mais ...