Freitag, 12. März 2010

Guck' mal, Bier kann das auch

Von Jens Höhner

Mein „Unwort des Jahres“ – ach, was sag' ich: des Jahrtausends! – habe ich längst gefunden. Dabei ist es nicht mal ein richtiges Wort, sondern eher eine Art von Silbenrülpser, der irgendwie über den großen Teich geweht ist. Natürlich ist er Englisch, irgendwie, dieser kleine Sprachschnipsel, der Kleines meint und Großes bezeichnet. Schließlich vollbringen „Apps“ – sprich: „Äbbs“ – heute wahre Wunderwerke. Gemeint sind „Applications“, so genannte Anwendungsprogramme für das Handy, das damit weit über seine eigentlichen Funktionen hinauswächst. Man erinnere sich: Früher hat man damit telefoniert.

Heute aber zieht’s mir die Schuhe aus, wenn ich mit ansehen muss, dass das Handy anderen Leute die Schuhe anzieht. Ein „App“ nämlich wählt das Schuhwerk passend aus für jede Lebenssituation. Natürlich könnte das auch sein Gutes haben: Muss ich demnächst nicht mehr die gefährliche Frage beantworten: „Schatz, die roten oder doch die schwarzen Stöckel?“. Dass man auch spannende Spiele auf dem Handybildschirm spielen kann, sehe ich auch noch ein. Aber dass das Gerät plötzlich brummt wie ein stoppelkillender Rasierapparat und sich Freund Henning am Kneipentresen damit auch noch durchs Gesicht fährt, ist für meinen Verstand eine echte Herausforderung, zumal Henning dann auch noch sagt: „Guck' mal, Bier kann das auch!“. Und tatsächlich: Sogleich meint das Handy, es sei ein Bierglas und schäumt dann auch virtuell mit entsprechendem Geräusch. Ich dagegen leere mein reales Kölsch und frage mich, wie viel ich noch trinken muss, damit ich das Bier-App lustig finde.

Schlimm ist, dass mich die Apps auch noch beim gemütlichen Fernsehabend verfolgen, denn ständig flimmern Spots für neue Erfindungen dieser Art über die Mattscheibe (mit einer kann man sogar Gitarre spielen!). Dagegen aber habe ich ausgerechnet an der Fernbedienung das richtige App gefunden. Da steht „Off“ drauf.

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