Mittwoch, 10. Februar 2010

Total unjeck - Etwas zum Karneval


Von Jens Höhner

Es ist wieder so weit. Wieder und wieder muss ich mir jene Frage gefallen lassen. Mal klingt sie bloß verwundert, mal neugierig, bisweilen aber auch bohrend und sogar empört: „Was, Du magst kein Karneval?“. Zur Erinnerung: Wir sind im toleranten Rheinland – aber sagen Sie mal, dass sie dem Karneval nicht unbedingt gewogen sind. Oder in meinem Fall: Dass Sie am liebsten Reißaus nehmen würden.

Denn diesem Bekenntnis folgen sofort Charakterstudien. Ah, ein Muffelkopp, denkt der eine. Oh, was für eine lahme Luftpumpe der andere. Kopfschütteln, Ausgrenzung, Isolation. Einsamkeit. Harte Zeiten für einen unjecken Narren. Und das noch dazu von einem der Höhner heißt und der damit einfach lustig sein muss! Unerhört! Ein dreifaches Tätä auf den Oberlangweiler, den Schunkelwogenbremser!

Zugegeben, früher war das anders. Da war ich Musketier, Clown und Robin Hood. Die Kostüme kamen nicht von der Stange: Monate lang hatte meine Großtante – ich nannte sie „Ti“ – daran genäht, bis tief in die Nacht surrte ihre Maschine. Einmal, nur einmal, kam die Kluft aus dem Laden: Da war ich Cowboy und hatte zwei Pistolen, damit ich den Sohn vom Oberstaatsanwalt mit Platzpatronenschüssen durch die Nachbarschaft scheuchen konnte. Der hatte Angst davor. Das war lustig.

Heute zucke ich zusammen, wenn's knallt und denke prompt an eine Flucht nach Kiel (da habe ich mal gelebt – 99 Prozent karnevalsfreie Zone) oder von mir aus auch an eine einsame Insel. Eine ähnlich gesinnte Kollegin rät gar, als Schweinegrippe-Virus zu gehen, da komme einem niemand zu nahe. Als Alternative schlägt sie Wirtschaftskrise vor, da gehe jede Fröhlichkeit garantiert den Bach runter.

Gute Idee, eigentlich. Denn immun gegen den Frohsinn bleibe ich meist – zumindest bis einer fragt: „Kurz auf'n Kölsch?“. Oft genug ist es dann nämlich schon passiert, dass ich plötzlich doch mittendrin stecke im jecken Trubel, ein Höhner-Lied auf den Lippen und Konfetti im Haar. Und erstaunt gefragt werde: „Was, Du magst kein Karneval?“

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